Freitag, 24. April 2015

"Voressen"

Gestern war in der Logopädie "voressen " angesagt. d.h. ich nahm mein Mittagessen mit und die Logopädinnen beobachteten, wie ich schlucke, mit dem Ziel, mir "Tipps und Tricks" mitzugeben, um möglichst ohne Verschlucken essen zu können. Sie meinten auch, eine erneute Schluckuntersuchung mit Endoskop wäre sicher hilfreich.

Ich war danach irritiert und etwas verwirrt, habe ich doch in den letzten Wochen verschiedenste Meinungen von den verschiedenen  beteiligten Fachpersonen erhalten: Vom Neurologen, es sei gut und ein Training der Schluckmuskulatur noch auf dem "normalen" Weg zu essen. Der Ernährungsplan aus St. Gallen sieht vor, die Hälfte der Kalorien über die Sonde. Nach der  Pflegeberaterin im ALS Zentrum sollte der grösste Teil über die Sonde laufen und nur noch einige Häppchen durch den üblichen Weg. Eine Schluckabklärung sei deshalb nicht mehr nötig.

Allen gemeinsam ist, dass sie mir helfen wollen, das Risiko, mich zu verschlucken, zu vermeiden und die damit einhergehende Gefahr einer Lungenentzündung zu minimieren.

Ich musste dies dann alles für mich "büschele". Mich austauschen und im Dialog zu einem für mich stimmenden Fazit zu kommen, geht ja nicht.

Dazu beschäftige mich die Frage nach dem Sinn für mich, wenn ich in absehbarer Zeit nur noch Sondennahrung erhalte..Ist dies eine Lebensverlängerung, die ich so eigentlich nicht möchte, oder ist es eine Erleichterung, um mehr Energie für anderes zu haben?

Das "Büschele" hat zu einigen Entscheidungen geführt:

Solange ich noch so mobil bin und der Körper noch mitmacht, ist auch eine vollständige Ernährung nur über die Sonde sinnvoll. Es ist dann nicht eine Lebensverlängerung um jeden Preis, sondern Erleichterung.

Da ich abends am meisten Mühe habe, etwas zu essen, werde ich ab heute die Abendmahlzeit durch die Sondennahrung ersetzten und nächste Woche in St. Gallen besprechen, um wie viel ich diese Ernährung erhöhen soll.

Nur noch wenige Häppchen zu essen, die ich geniessen kann, solange ich noch nicht ermüdet bin, ist OK für mich.

Ob so nochmals eine Schluckabklärung nötig ist,, wird sich bei meinem Untersuch nächste Woche im ALS Zentrum zeigen.

Dies alles für mich so zu ordnen, gibt mir wieder mehr Ruhe und Zuversicht.

Und noch etwas habe ich für mich geklärt. Wenn es keine akute Verschlechterung gibt in nächster Zeit, werde ich im Juni nochmals am Frauenlauf teilnehmen über 5 km Nordic Walking. Ich war einige Jahre dabei und habe immer die tolle Atmosphäre dort genossen. Im Gegensatz zu früheren Jahren, ist nicht mehr der Ehrgeiz da, meine Laufzeit zu verbessern, sondern in dem Tempo, das mir noch möglich ist, dabei sein.









Donnerstag, 16. April 2015

Erfahrungen machen

Diese Woche war ich das erste Mal seit der OP wieder im Muskeltraining/Fitness in der Physiotherapie-Praxis in Klingnau, wohin ich schon seit mehreren Jahren regelmässig gehe. Ich habe wieder ganz sachte angefangen, mit weniger Gewicht. Ich traute mich noch nicht so recht. Die Wunde, resp. die Sonde haben mich weder gestört, noch hatte ich Schmerzen. Dies gibt mir  wieder ein Stück Vertrauen in  meine körperliche Belastbarkeit.. Ich will mich nicht überfordern, sondern darf mich an dem freuen, das noch möglich ist und mir Spass macht.

Seit gut einer Woche fahre ich auch wieder Auto. Ich traute mich vorher nicht, auch wegen der Schmerzmittel. Es ist nicht so, dass ich sehr gerne Auto fahren würde. Doch es gibt mir ein Gefühl der Unabhängigkeit. Es sind eh nur kurze Strecken, die ich fahre, für längere nehmen wir normalerweise die SBB.

Morgen Freitag ist die Beerdigung meiner Mutter in Thun. Sie war seit einigen Wochen, nach einer Infektion, bettlägerig. Sie  wurde dieses Jahr 87.

Für mich ist es das erste Mal, dass ich den ganzen Tage unterwegs bin nach der OP. Es gibt ein rechtes "Bagage": Tablet zum Sprechen", Wasser und Spritze zum "Trinken mit der Sonde", Apfelmus als Zwischenmahlzeit, genügend Servietten wegen Speichelfluss, Eindickungsmittel für Kaffee.

Die Kommunikation wird auch eine Herausforderung sein morgen. Wie klappt dies in einem grösseren Kreis von Personen.

Sicher ist, dass ich morgen am Abend sehr müde sein werde.

Samstag, 11. April 2015

Frühling

Endlich ist der Frühling mit seiner Blumenpracht und den wärmeren Temperaturen da. Ich freue mich an der erwachten Natur. Die längeren Tage und die Wärme tun mir gut und geben mir Energie. Es ist schön, dies nochmals zu erleben.

Sicher spielt dabei auch eine Rolle, dass ich die Wunde kaum mehr spüre und ich mich sehr gut erholt habe.

Es gibt wieder Momente, in denen ich die Krankheit vergessen kann und mich fühle wie vor der Diagnose, sei dies beim Spazieren, beim Lesen, beim Fernsehen, am Computer. Ich bin dankbar für diese Momente und froh, dass ich zwischendurch abschalten und auftanken kann.. Es holt mich dann wieder ein beim Trinken, Essen und wenn ich mich mitteilen möchte.

Mir wurde von einer Fachperson, kurz nach der Diagnose, gesagt, das Tragische bei ALS sei, dass frau/man mit völlig intaktem Verstand, das Fortschreiten der Krankheit und den Verfall mitbekomme. Dies hat für mich nicht nur die negative Seite, dem relativ raschen Verlauf der Krankheit, jeder Veränderung, bei klarem Kopf  zuzuschauen. Das schmerzliche Feststellen von Dingen, die vor kurzer Zeit noch möglich waren und nun nicht mehr möglich sind.

Der klare Kopf hat für mich auch die positive Seite, dass ich mich weiterhin meinen Interessen zuwenden kann, mich z.B. mit gesellschaftspolitischen Fragen beschäftige, mich informiere über das Wichtige und auch Unwichtige auf dieser Welt in Zeitungen, Internet Radio und TV. Das gibt mir auch das Gefühl von Normalität und eben, wie oben schon gesagt, Momente, in denen die Krankheit nicht im Vordergrund steht.



Donnerstag, 2. April 2015

Frohe Ostern

Heute sind es 14 Tage seit dem Einlegen der Magensonde. Die Wunde ist fast verheilt und der Alltag pendelt sich neu ein. Der Zeitaufwand wird kleiner.

Es gelingt mir schon recht gut, mir keinen Druck mehr zu machen, unbedingt viel essen zu müssen Ich entscheide spontan was und wie viel ich essen will. Das ist eine  Erleichterung und ist eindeutig stressfreier. Dasselbe gilt fürs Trinken, da fliesst nun der grösste Teil direkt durch die Sonde. Ich verschlucke mich weniger und vermindere so auch die Anzahl der energiefressenden Hustenanfälle.

Ich habe auch wieder spürbar mehr Energie. Einerseits weil ich mich von der OP und dem damit verbundenen Stress gut erholt habe. Andererseits durch die Erleichterung beim  Essen und Trinken. Das tut mir gut und erhöht meine Lebensqualität. So habe ich auch wieder Energie und Platz für andere Interessen.

So sehe ich den Ostertagen zuversichtlich entgegen und freue mich darauf, dass Patrick bereits heute zu uns kommt und Marco mit der Familie am Ostermontag. Die Enkelkinder werden schon für Betrieb sorgen. Und das ist gut so.

Ich wünsche allen erholsame Ostertage. Vielleicht zeigt sich die Frühlingssonne dann doch noch!