Samstag, 28. November 2015

Zeit - Zeitungen

Seit vielen Jahren gehört es zu meinem Morgenritual, die zwei Tageszeitungen aus dem Briefkasten zu holen. Ich ging kaum jemals zur Arbeit, ohne mir einen Überblick gemacht zu haben, was   im In- und Ausland aktuell war. Jetzt bleiben sie manchmal ungelesen bis am Abend, ich "komme kaum dazu".

Sicherlich haben sich die Prioritäten verschoben. Und ich mache mich vermehrt kundig im Internet über Wichtiges und Unwichtiges.

Mich dünkt, die Zeit verfliegt immer schneller. Vielleicht liegt es auch daran, dass die Tage für mich so strukturiert sind mit Übungen, Verabreichung der Medis und der Nahrung, Therapien. Dazu kommt, dass  Peter und ich langsamer geworden.(was eher am Alter liegt)!

Es ist mir lieber so, als dass ich die Stunden und Tage zählen müsste. Ich habe es gern, wenn etwas läuft. Ich geniesse vor allem auch die Besuche. Auch wenn ich dabei müde werde vom Schreiben. Erholen kann ich mich nachher.

Vor zwei Tagen wollte ich das erste Mal meine "Lieblingstiefel" mit hohem Schaft anziehen (ohne Reissverschluss) und musste feststellen, dass ich nicht mehr die Kraft habe,  allein n diese rein zu kommen!! Letztes Jahr ging es doch noch wunderbar! Auch beim Ausziehen von Pullovern brauche ich Unterstützung. Das braucht alles mehr Zeit.

Da hilft Humor und befreiendes Lachen!!



Dienstag, 24. November 2015

Üben, üben, üben.....

Der Raureif heut morgen auf dem Rasen und den Dächern weckte in mir das erste Mal in diesem Jahr Wintergefühle nach dem fast sommerlichen Herbst.

Am letzten Sonntag waren Marco mit Familie und Patrick bei uns in Würenlingen. Lia ist nun mit 13 Monaten so richtig am Entdecken, Ausprobieren und Nachahmen. Es ist für mich immer wieder erstaunlich, wie die kleinen Kinder noch und noch, unermüdlich, dasselbe probieren, bis es geht. Und wenn sie zum 100. Mal beim Gehen lernen absitzen oder stürzen. Sie geben nicht auf.

Auch für mich ist üben angesagt. Im Gegensatz zu den Kindern geht es nicht mehr um Aufbau, sondern drum, möglichst lange Fähigkeiten zu erhalten und somit auch Selbständigkeit. Nur hab ich nicht mehr dieselbe Ausdauer.

Es soll ja auch so sein, dass am Anfang des Lebens, das Vorwärtsdrängen, das Lernen, Wachsen und Erfahrungen machen steht. Gegen Ende des Lebens lassen die Kräfte nach, ob durch Krankheit, wie bei mir,  oder einfach durch das Altern.

Es müsste nicht so früh sein.

Heute waren Peter und ich, wie immer dienstags, im Muskeltraining. Ich bin froh, dass er mitkommt, alleine wäre es langsam aber sicher schwierig. Seit einigen Wochen habe ich nicht mehr genügend Kraft um die Geräte einzustellen.

Ich brauche quasi einen eigenen Coach!

Es ist ein weiterer Abschied von der Selbständigkeit. Ich kann die Unterstützung annehmen. Es ist schön, dass wir das Training gemeinsam machen können. An den Geräten bin ich bald fast überall mit den Gewichten auf dem Minimum.

Doch üben, üben, üben........  gibt mir ein gutes Gefühl, nicht nur den kleinen Kindern!


Mittwoch, 18. November 2015

Mut und Angst

In "Treibsand" von Mankell heisst ein Kapitel" Mut, Angst zu haben". Ich zitiere:

"Kann man Mut beweisen, ohne sich Angst einzugestehen? Ich halte dies nicht für möglich"

Das regte mich zum Weiterdenken an: Wie war es bei mir Jugendliche, als erwachsene Frau und jetzt mit ALS?

Wenn ich so zurückdenke, stellte ich mich oft der Angst und suchte, nach einer Zeit der Unsicherheit, des Hin und Her nach Lösungen. Dabei half mir sicher auch mein Ehrgeiz.

Z.B. brauchte ich Mut als 20jährige für zwei Jahre nach Schweden zu ziehen. Ich kannte niemanden, sprach kein Schwedisch, war noch nie dort.. Doch der Mut, Neues zu erleben und zu lernen war viel grösser als die Angst vor dem Unbekannten. Ich arbeitete dort auf der Schweizer Botschaft. Die Sprache lernte ich sehr schnell.

Der grosse Schritt zur eigene Praxis für psychologische Beratung, Supervision und Coaching, nach jahrelanger Zweitausbildung,  war mit einem längeren Prozess verbunden, mich der Angst, ja fast Panik vor dem Scheitern, zu stellen. Ich hab es gewagt und es war richtig so.

Die Diagnose ALS ist, von Anfang an, mit Ängsten und Verzweiflung verbunden. Bei jedem Verlust an Fähigkeiten, sind Mut, die Suche nach Alternativen und Kreativität gefragt.

Was wäre, wenn ich der Angst nachgeben würde? Vermutlich eine Depression und Isolation! Das kann und will ich nicht!

Das Nachlassen der Kraft in den Armen und der  Feinmotorik ist mit viel Angst verbunden: Kann ich mich dann noch mitteilen? Wie lange kann ich noch auf dem Tablet und PC schreiben? Leben ohne Kommunikation ist für mich unvorstellbar!!

Ich will nun Infos sammeln, mich kundig machen über Alternativen und Möglichkeiten..Jetzt, wo ich noch gut schreiben kann!! Nicht hinauszögern!

Ich möchte nochmals Mankell zitieren:

"Mut und Angst sind ständig ineinander verwoben. Es bedarf des Muts zu leben und des Muts zu sterben."











Dienstag, 10. November 2015

Halb volles Glas - halb leeres Glas

Wir geniessen einige goldenen Herbsttage hier im Goms. Die Lärchenwälder leuchten in der Sonne wirklich golden. Die Temperaturen sind alles andere als Spätherbst. Heute fuhren wir auf die Grimsel und wanderten dem Totensee entlang. Das Panorama bei diesem Wetter ist faszinierend. Die Sonne wärmte wie im Frühling.

In letzter Zeit denke ich oft an das halb volle Glas, resp. das halb leere Glas. Auf der einen Seite Freude haben, an dem, was noch möglich ist und mich nicht blockieren durch das, was nicht mehr geht. Das tönt eigentlich ganz einfach - nur klappt dies nicht immer.

Heute war es einfach wunderbar, dem See entlang zu wandern. Das Staunen über die Ruhe - nur noch wenige Töffs und Autos auf der Grimselstrasse. Das ist das halbvolle Glas. Ich könnte auch damit hadern , dass ich nicht mehr so berggängig bin und es teilweise mühsam war auf dem steinigen Weg. Das wäre dann das halb leere. Dasselbe gestern. Wir waren Nordic Walken. Ich freute mich, dass es mir möglich war, gut die halbe Strecke zügig zu walken, dann musste ich in eine langsamere Gangart schalten.Auch da könnte ich hadern, dass ich nicht mehr so fit bin wie auch schon.

Es bedeutet immer wieder, mich neu entscheiden, welches Glas ich betrachte.

Das gilt insbesondere auch jetzt, wo die nachlassende Kraft in den Armen und die schwieriger werdende Feinmotorik mich im Alltag einschränken. Da brauche ich Geduld mit mir selbst und den Entscheid, dies anzunehmen.

Seit einer Woche habe ich nun das Gerät, welches mir helfen soll, das eingerostete Kiefergelenk wieder beweglicher zu machen. Ich sollte, wenn möglich, 5 Mal im Tag, mit dem "Kieferöffner" trainieren.

Im Muskeltraining hab ich noch neue Übungen mit Hanteln erhalten, um die Kraft in den Armen zu stärken, resp. den Abbau zu verlangsamen.

Es ist eine Herausforderung, auch diese neuen Übungen in den Alltag so zu integrieren,  dass ich mich selbst nicht zu stark einschränke und noch genügend Platz für Anderes da ist. Entscheiden, dass es manchmal es wichtiger und schöner für mich ist, nicht rigide an einem Plan festzuhalten und dabei das halb volle Glas nicht mehr zu sehen